Rückblick: Mother of the Earth

14. Oktober 2019
himmel

Ein Abend mit der Umweltpionierin Hayedeh Shirzadi aus dem Iran

Hayedeh Shirzadi hat ihr Leben dem Recycling gewidmet. Der Dokumentarfilm „Mother of the Earth“ zeigt eindrucksvoll, wie sie sich seit Jahrzehnten für die Menschen und die iranische Umwelt einsetzt.

Eine Großstadt ist so etwas wie Shirzadis „Baby“. Fast eine Millionen Menschen leben in Kermanschah im Westiran. Dort begann Alles mit der ersten Recycling-Anlage, die Müll trennt und organische Abfälle zu Dünger umwandelt. Kermanschah gilt mittlerweile als Pionier der iranischen Abfallwirtschaft. Ein Tonnensystem und weitere Anlagen sind hinzugekommen. 16 Hektar Abfallverwertung behandeln nun 240 000t Müll. Noch in den Neunzigern wurde dieser Hausmüll überwiegend deponiert oder unsachgemäß verbrannt. Giftstoffe verschmutzten das Grundwasser.

Die Idee hatte Shirzadi bereits 1992. In Kassel studierte sie Agrarwissenschaften und war vom deutschen Recyclingsystem beeindruckt. Monatliche Müllgebühren, Grüner Punkt und vieles mehr kannte sie aus dem Iran nicht und es schien doch so sinnvoll. Fest nahm sie sich vor, zurückzukehren und etwas in ihrer Heimat zu bewegen. „Man muss das Rad nicht neu erfinden“, sagt Shirzadi. Sie übersetzte deutsches Abfallrecht und trat an iranische Politiker*innen heran. Oft ein Kampf gegen Windmühlen.

Regional wechseln Zuständigkeiten und Zuständige so manches Mal. „Frau Shirzadi hat keinen Termin, aber wir sprechen trotzdem gerne mit ihr“, sagt ein lokaler Politiker im Film scherzhaft. Inmitten einer Herrenrunde verlangt sie nach weiteren Geldern für eine Anlage und bleibt dabei unnachgiebig.

Das gilt sowohl für den Film als auch für ihr Leben. An einer Stelle hält sie umringt von Männern eine energische Rede. „Was steht ihr hier rum“, davon verschwindet der Müll nicht. Mit anderen Helfer*innen zieht sie von Haustür zu Haustür und erfasst, wer wie in welchem Viertel welchen Müll trennt. Systematisch, gründlich, sicher auch noch von ihrer Studienzeit hierzulande inspiriert.

„Den Iran muss man sich wie eine grüne Wiese vorstellen“, sagt ihr Mann Edmund Lempges. Strukturen für Recycling fehlen. Müll werfen viele schlicht in die Natur oder verbrennen ihn. Lempges Ziel war es immer, eine Abfallwirtschaft zu errichten. Das ist auch bitter nötig: Beißender Gestank empfängt Lempges, als er im Film vom Flughafen Teheran mit dem Taxi nach Kermanschah fährt. Dafür sind auch 21 Millionen Tonnen Haushaltsmüll pro Jahr verantwortlich. In LKW-Ladungen entspricht das zwei Erdumrundungen!

Im Gespann mit seiner Frau ist er der „true engineer“, wie ein Arbeiter im Feld meint. Anfangs kümmert er sich um Technisches in der Startanlage in Kermanschah, mittlerweile können die Beschäftigten den Betrieb selbstständig führen. Unfair will das Ehepaar niemanden behandeln. „Wir stellen nur zu Bedingungen ein, zu denen wir auch selbst arbeiten würden.“

„Mother of the Earth“ funktioniert auch auf einer sehr persönlichen Ebene. Händchenhaltend singt Edmund Lempges deutsches Liedgut, isst mit seiner Frau Abendbrot. In Kassel hat er Shirzadi kennengelernt und sein altes Leben in Deutschland hinter sich gelassen. Mit ihrem Feuer hat sie nicht nur das Leben vieler Iraner*innen verbessert, sondern auch damals ihren späteren Ehemann angesteckt.

„Köln-Natanz Partnerschaft für Nachhaltigkeit e.V.“ und „Köln Agenda e. V.“ haben den Film am 15. Mai in der Alten Feuerwache anlässlich des 20-jährigen Bestehens von Köln Agenda e. V. gezeigt. An der anschließenden Diskussion nahmen Hayedeh Shirzadi, die Regisseurin Mahnaz Afzali, der Iran-Experte Dr. Rohani sowie die Kölner Umweltpolitiker Dr. Rolf Albach (FDP) und Winfried Becker (SPD) teil.

„Es gab nie einen roten Teppich für mich“, sagt Shirzani im Gespräch. Bis heute wollen sie und ihr Mann gegen alle Widerstände das Leben der Menschen verbessern und die natürlichen Ressourcen schonen und damit auch das Klima schützen. Oft fragten Leute, ob die beiden Kinder hätten. „Ich habe 15 Kinder“, erwidert Shizardi daraufhin, „die 15 Anlagen.“

Nathanael Häfner